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Andrea Reinhold vom TLV 94 'hat im Alter von 53 Jahren (zusammen mit ihrem Partner und Trainer Jürgen Klindworth) den ersten IRONMAN und Marathon in MEXICO gefinisht - und "beide machen richtig Lust a

Ein Erlebnisbericht, geschrieben von Andrea Reinhold (TLV):

Ich hätte nie gedacht, dass ich nur zwei Jahre nach meinem Triathloneinstieg 2019 schon den Schritt auf die Langdistanz wagen würde. Aber die Corona-Pandemie macht vieles möglich. So bin ich im wettkampflosen Jahr 2020 gleich von der Sprint- auf die Mitteldistanz gewechselt, die mein Zweit-Verein, der TV Scheeßel, als vereinsinternen Wettkampf organisiert hatte. In diesem Jahr folgte dann ein vereinsinternes 11-h Event des TV Scheeßel. Da haben nur noch 10 km an einer vollen Langdistanz mit 226 km gefehlt.  Ich war danach so begeistert, dass ich spontan zugesagt habe, als mich mein Partner und Trainer Jürgen Klindworth im September fragte, ob ich nicht mit ihm zusammen beim IRONMAN auf der mexikanischen Insel Cozumel (Karibisches Meer) starten möchte.

 

Lange überlegen musste ich nicht. Trainiert hatte ich, mein Rad hätte ich sowieso mitgenommen und die flachen Strecken kamen mir sehr entgegen. Da habe ich noch nicht ahnen können, dass in den letzten Wochen vor dem Wettkampf erst eine Rippenprellung und dann eine Rachenentzündung die unmittelbare Wettkampfvorbereitung zunichtemachen würden. Aber was nicht ist, ist nicht und mein Training davor würde ausreichen, so mein Trainer. Ich wollte ja nur ankommen. Beruhigt hat mich das natürlich nicht.

 

Nach einer 35-stündigen und sehr turbulenten Anreise mit verpasster Fähre, hohem Wellengang und prompt reagierendem Magen standen die ersten Tage ganz im Zeichen der Regeneration und Akklimatisierung. Als Typ von „lieber mehr als zu wenig“ fiel mir das Füße still halten nicht einfach. In der Rennwoche kann man kein fehlendes Training mehr nachholen, so mein Trainer. Mit seinen über 30 Jahren Triathlonerfahrung bewahrt er mich Gott sei Dank nicht nur vor Fehlern  dieser Art. Wir hatten auch noch Glück und sind vom Magen-Darm-Virus  verschont geblieben, der weit über die Hälfte der Athleten in der Hotelanlage vor dem Wettkampf erwischt hatte. Vielleicht hat sich da die Ruhe schon ausgezahlt.

 

Bis zum Renntag, der immer näher rückte, habe ich die versprochenen Temperaturen um die 30 Grad und Sonne auf Cozumel vermisst. Stattdessen gab es viele Regenfälle, von denen nicht nur die Insulaner, sondern auch die Straßen, die Kanalisation und schlussendlich die Gullideckel  überfordert waren. Die traumhafte Hotelanlage im Dschungel und mit direktem Meerzugang hat dafür ein wenig entschädigt.

 

Meine Aufregung hielt sich in Grenzen, ich war sogar entgegen meinem Naturell außergewöhnlich tiefenentspannt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich wirklich am Sonntag am Start stehen und einen IRONMAN finishen würde. Selbst der Rad-Checkin am Chankanaab Park hat meine Aufregung nicht wirklich gesteigert. Die Mexikaner waren logistisch mit der Überzahl der Athleten etwas überfordert.          

 

Wenn in den Vorjahren 1300 – 1500 Athleten am Start standen, waren es in diesem Jahr 2700 Athleten. Da wurde der Bikepark kurzer Hand provisorisch erweitert, die letzten Startnummern beißen die Hunde (ich hatte natürlich eine aufgrund meiner späten Anmeldung) und die Laufteppiche haben dann eben nicht mehr für alle gereicht. Bei Dauerregen und Matsch und steinigem Untergrund weiß jeder Triathlet, wie man dann in seine Radschuhe steigt. Also gleich mal noch ein Handtuch eingesteckt. Am Morgen des Renntages fehlte es überall an Luftpumpen und der Abtransport in Bussen zum Schwimmstart gestaltete sich aufgrund der Vielzahl der Athleten zum ersten Stau. Am Schwimmstart war dann Umziehen im Freien bei weiterhin strömenden Regen angesagt.                                                                                                                                

 

Ich stand mit Melanie Wiechert von den Triathlonfüchsen Osterburg im Schwimmblock und ich war nicht die Einzige, die gefroren hat. So haben wir uns beide auf 27 Grad warmes Wasser gefreut. Bei den hohen Temperaturen war natürlich Neoprenverbot, aber dafür durften wir uns über Strömungsunterstützung und kristallklares Wasser freuen. Es ging geradewegs 3.8 km parallel zum Ufer wieder zum Bikepark zurück.                 

 

Ich bin immer froh, wenn ich unbeschadet und nicht mit Unmengen an Meereswasser im Bauch aus dem Wasser steigen kann. Die erste Disziplin konnte ich sogar mit einem persönlichen Rekord nach 1:03 h beenden. Das war ja schon mal ein Paukenschlag. Der Strömung sei Dank, aber es haben auch ein paar Meter gefehlt. Egal, schnell zum Rad, Füße abtrocknen, Helm auf und los geht’s. Leider habe ich in der Wechselzone einen Athleten, der einfach stehengeblieben ist, aufgespießt. Also erst mal seinen Triathlonanzug aus meiner Handbremse befreit, leider ein Loch für ihn und weiter ging es. So etwas passiert schon mal im Eifer des Gefechts, aber meistens mir. Als ich auf die Radstrecke gefahren bin, habe ich im ersten Moment gedacht, ich bin auf einer Kaffeefahrt. Logisch, dass sich 2700 Athleten in 3 x 60 km Runden nicht sofort auflösen.

 

Windschattenfahren war leider fast uneingeschränkt möglich, die Referees haben nicht wirklich durchgegriffen. Ich bin es gewohnt, allein zu fahren und habe mich von den Gruppen daher ferngehalten. Die Radstrecke war komplett für den Verkehr gesperrt, aber aufgrund des vielen Regens, teils auch sinnflutartig, nicht so einfach zu fahren.

 

In San Miguel wartete mit überfluteten und nach Kanalisation stinkenden Straßen eine große Herausforderung. Den Untergrund konnte man streckenweise nicht mehr erkennen, an einer Stelle ging es sogar durch knietiefes Wasser und da half nur beten, dass man dies ohne Platten bewältigt. Auch mein Garmin-Radcomputer konnte dem Regen nicht standhalten und das Touchdisplay hat im Takt der Regentropfen ein Eigenleben entwickelt. Also umswitchen und nach Gefühl fahren: Wattzahl, Herzfrequenz, km und Geschwindigkeit waren einfach nicht mehr ablesbar. Die Abstände der Versorgungsstände waren vorbildlich. Nur zeigte sich da auch wieder, dass die Vielzahl der Athleten die Helfer überforderte. Die Radflaschen, die man zum Austausch erhält, konnten teilweise nicht rechtzeitig mit Wasser nachgefüllt werden.

 

Da half dann nur kurz anhalten und selbst befüllen. Trotzdem war die Radstrecke aufgrund der 3 Runden sehr kurzweilig und die Passagen direkt am Meer entlang einfach nur wunderschön. Mit Sonne natürlich noch schöner, aber so musste man nicht schon auf der Radstrecke seinen Körper runter kühlen. Alles hat auch eine positive Seite. Ich war trotzdem froh, nach 182 km endlich in meine Laufschuhe steigen zu können, die in einer großen Tiefgarage eines Einkaufszentrums vor dem Regen geschützt und trocken waren. Meinen Platz unter 2700 anderen habe ich wider Erwarten recht schnell gefunden.

 

Dass ich sogar eine Radzeit von unter 6 h geschafft hatte, habe ich erst im Ziel erfahren. Schade, das hätte mir wahrscheinlich noch mehr Flügel verliehen. Aber mein Garmin war ja in den Streik getreten. Schnell, schnell, zack, zack und tatsächlich das Headband mit Schirm verkehrt herum aufgesetzt. Der Schirm stand nach oben und ich habe mich die ersten 10 km gewundert, dass mein Gesicht trotz Kühlung brennt. Es sah nicht nur richtig deppert aus, etliche Mitstreiter haben sogar gedacht, ich habe den Schirm absichtlich so aufgesetzt, um das Eis dort oben auf dem Kopf zu lagern. Vielleicht ist das ja eine Anregung für den nächsten IRONMAN auf Cozumel. Zu laufen war der anschließende Marathon (auch dieser für mich eine Premiere) mitten durch die Inselhauptstadt San Miguel über 3 Runden a 14 km, immer 7 km auf der einen Straßenseite hin und 7 km auf der anderen Straßenseite zurück. Auch da ging es munter durch die Kloakenlöcher und der Schwefelgeruch war allgegenwärtig. Die Mexikaner haben uns auf der Laufstrecke tatkräftig unterstützt und begeistert angefeuert. Die Stimmung im Ort war grandios.

 

Von der Vielzahl der Versorgungstische war ich schon im Vorfeld angetan, nach jedem km gab es Wasser, Cola und Gatorade als isotonisches Getränk (zum Vergleich: selbst auf Hawaii gibt es nur jede Meile = 1,61 km einen Verpflegungsstand). Ich habe natürlich jeden Tisch mitgenommen, denn Abkühlen und Trinken waren absolut wichtig, da unterdessen der Regen aufgehört hatte und die Sonne brannte. Die hohe Luftfeuchtigkeit tat ihr Übriges. Nur leider war auch hier die Versorgung schnell Mangelware und wer nicht in 10 h im Ziel war, hatte zumindest auf der zweiten Laufhälfte kein Wasser und keine Cola mehr.

 

Da gehen einem dann schnell mal die Lichter aus. Kurz bevor sie mir ausgingen, konnte ich eine Flasche Wasser von Mitarbeitern eines Hotels ergattern (mein einziger Sprint), die den Versorgungsengpass mitbekommen und ihre Mitarbeiter mit Wasserflaschen an die Strecke gestellt haben. Irgendwann habe ich noch eine Getoradeflasche auf der Straße aufgesammelt und mich so über die 42 km gerettet. An schnelles Laufen war da nicht mehr zu denken. Ich habe noch nie so viele Athleten gehen sehen und ich war auf meinen letzten 7 km eine der Wenigen, die noch gelaufen ist. Aber besser langsam ins Ziel als gar nicht. Mit einem Lächeln ankommen ist die Devise und das galt auch für mich bei meiner ersten Langdistanz. Zwei Boxenstopps haben mir nebenbei gezeigt, dass man einen pitschnassen Triathloneinteiler mit langen Armen zwar ausziehen kann, wenn auch sehr mühsam und mit vielen Verrenkungen, aber wieder anziehen geht gar nicht. Also Oberteil und Arme hängen gelassen, es war ja warm und kurz vor dem Ziel wegen der Fotos und der Vorschriften wieder in den Anzug gequält.

 

Auf den letzten Metern kam mir dann auch mein Partner Jürgen schon entgegen, der längst vor mir im Ziel war. Mit einer unglaublichen Zeit von 9:50 h hat er in der AK60 nicht nur den 2. Platz erkämpft, sondern sich nach vielen Jahren mit Rückenproblemen den Traum von einem endlich wieder schmerzfreien Wettkampf erfüllt. Meinen Zieleinlauf habe ich ebenso genossen und konnte mit einem Siegerlächeln und vielen Jubelschreien nach 11.20 h in die coronabedingt leider leere Zielmeile einlaufen und die magischen Worte „YOU ARE AN IRONMAN“ aufsaugen. Meine Marathonzeit von 4:16 h spielte da keine Rolle mehr, ebenso nicht der 14. Platz von 81 Finishern in meiner Altersklasse.

 

Ich war einfach nur überwältigt, meinen ersten IRONMAN gefinisht zu haben und den auch noch in einer Zeit, die irgendwann mal auf der Wunschliste gestanden hätte, aber auf keinen Fall bei der ersten Langdistanz. Was soll ich sagen, ich war überglücklich und so aufgedreht, dass ich mich noch auf Cozumel für die nächste Langdistanz angemeldet habe und es kaum erwarten kann. Zur Belohnung gab es für die restliche Zeit auf der Insel nur noch Sonne, heiße Temperaturen und keinen Regen mehr. Wahrscheinlich mussten wir uns das gute Wetter erst verdienen.

 

Etliche Athleten, die Vielstarter auf Cozumel sind, haben derartige Verhältnisse in den letzten Jahren nicht erlebt.

 

Wir werden die 226 km im viel beworbenen Paradies als außergewöhnliches Erlebnis trotzdem in sehr guter Erinnerung behalten, schon allein wegen der malerischen Kulisse und den Mexikanern mit großem Herz.

 

Andrea Reinhold

 

Andrea Reinhold nach den Distanzen:

  • Schwimmen 3,8 km
  • Rad 180 km
  • Laufen 42,2 km

beim Zieleinlauf in Mexico - erschöpft aber überglücklich :D

Andrea Reinhold aufen Rad

Andrea auf der nassen 180km Radstrecke in Cozumel/Mexico.

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